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Die 11 Modalitäten von Berührung in der Contact Improvisation

Aktualisiert: 26. Juli 2023

Meine Recherche „10 Modalitäten von Berührung in der Contact Improvisation“ hat sowohl meine pädagogische, als auch tänzerische Arbeit zu einer neuen Tiefe gebracht.

Mittlerweile müsste der Research, gefördert vom Fond für Darstellende Künste mit der Rechercheförderung, sich definieren: "Die 11 Modalitäten von Berührung in Bewegung in der Contact Improvisation und dadurch tangierte Arbeitsfelder".

Grundlegend geht es um verschiedene Arten miteinander im Duett, Trio oder in einer Gruppe in physische Berührung zu gehen und dadurch diverse Bewegungsqualitäten zu initiieren, zu erforschen und deren Konsequenzen zu beobachten und zu erfahren.

Dabei im Hintergrund ist immer ein emotionaler, somatischer und sehr komplex variierender Ist-Zustand in den einzelnen miteinander in Kontakt tretenden Tänzer*Innen, welcher den Tanz und die Qualität der Berührung wesentlich beeinflussen und jeden improvisierten Tanz einzigartig und unwiederholbar werden lassen.


Die 11 Modalitäten bewegter Berührung:

  1. Rolling zone of contact

  2. Travelling zone of contact

  3. Bridging zone of contact

  4. Sliding/shifting zone of contact

  5. Pivoting zone of contact

  6. Modulating size & shape of the contact zone

  7. Underskin contact zone

  8. Diving through the layers

  9. Wafting zone of contact

  10. Yealding zone of contact

  11. Shaking/vibrating zone of contact

Ich thematisierte in meinem Unterricht verschiedene Arten von Berührung und entwickelte Übungen dazu, welche diese von unterschiedlichen Perspektiven bearbeiteten und für die Teilnehmer*Innen spürbar machten. Interessanterweise hat sich das Feld der Modalitäten für mich erweitert. Erstens darin, dass ich 11 Modalitäten definieren und diese in ihrer Wichtigkeit verschieden einstufen konnte. Und zweitens in der unglaublichen Dimension, welche sich auftut, wenn man begreift, wie viele Einflüsse und Situationen die Qualität der Berührung beeinflussen.

Die Basismodalitäten von Berührung in Kontakt sind „Rolling Zone, Bridging Zone, Travelling Zone und Sliding Zone“, ausgehend davon, dass eine Zone des Kontaktes besteht, die Contact Zone, ohne Bewegung. Die früheren Contacter bezeichneten diesen als Contact Point, mit der Zeit jedoch verfeinerte sich diese Definierung, da in Verbindung immer eine Fläche steht und nicht nur ein Punkt.

"Rolling Zone" bedeutet, dass eine Zone des Kontaktes stetig weiterrollt, ohne dass die Verbindung unterbrochen wird, ein Rollen der Körperflächen umeinander. "Bridging Zone" bedeutet, dass sich der Körperkontakt, der gehalten wird kurz löst und dann an einer anderen Stelle wieder aufgenommen wird. "Travelling Zone" beinhaltet, dass eine Kontaktzone die ganze Zeit in Verbindung bleibt, ohne dass sie sich löst oder weiterrollt, doch dabei wird sie in den Raum transportiert, bewegt sich also weg vom Platz und in unterschiedliche Ebenen des Raumes. "Sliding Zone" beschreibt eine Zone des Kontaktes, welche gegeneinander verschoben wird, d.h. zum Beispiel eine Zone gleitet in Kontakt nach oben, während die der Partner*In nach unten gleitet.

Ausgehend von diesen Basis-Berührungsmodalitäten kristallisieren sich weitere heraus, welche jedoch immer auf die vier Basismodalitäten zurück zu führen sind. Nämlich „Pivoting“, welche eine Art von Sliding darstellt, häufig in Kombination mit Rolling. Außerdem der „Underskin Contact“, welcher ebenfalls eine Kombi aus Sliding und Rolling ist und mehr das Bindegewebe anspricht. Dessen Qualität ist sehr suptil und wirkt sich extrem auf die Art und Weise der Improvisation aus.

Ähnlich dazu ist die Modalität „Diving through the layers“, welche die Intensität des eingesetzten Gewichtes gegen die Partner*In variiert und natürlich den „Underskin“ streift. Es entsteht eine vollkommen andere Art des improvisierten Tanz, wenn die Tänzer*Innen sich nur hauchzart streifen oder ihr Gewicht in Teilen oder komplett abgeben. Letzteres entwickelt akrobatische Elemente, während erstes eher somatisch wirkt. „Modulating the size and shape of the contact zone“, könnte auch in den Bereich der Bewegungs-Aktionen fallen, doch ich ordne es unter Berührungsmodaliät ein, da es ein Element der Rolling Zone ist. Der Kontakt wird eher punktuell, z.B. mit Körperspitzen ausgeführt oder flächig, mit Körperteilen, die eher großteilig sind, wie Arm - und, Beinseiten, Bauch oder Rücken. Vollkommen differenziert zu betrachten und doch aus den Basismodalitäten ablenkbar ist „Yealding“, das bewusste Schmelzen in den Körper des anderen, ohne dass der Körper mit der Schwerkraft kollabiert.

„Wafting“ - wabern ist unkontrollierter. Es enthält Elemente des Yealdings, ist jedoch konfuser, weniger umschließend, eher wie die Berührung von Gelee oder Pudding. „Shaking oder Vibrating“ kann über alle Basismodalitäten verfügen, aber nicht zwingend notwendig, es ist eine Art von Berührung, welche unkontrolliert ist, rhythmisch veränderbar, mal mit der Partner*In harmonisierend, mal im Counterpart.




Ich veranstaltete und besuchte mehrere Workshops und Contact Improvisation Jams innerhalb der Rechercheperiode, in denen ich meinen Focus auf die Qualitäten lenkte und dadurch einen viel bewussteren Zugang zur Spontanität der Improvisation und zur ausgeführten Bewegungsqualität fand. Die Qualitäten können einerseits gelenkt und beeinflusst werden, z.B. durch eine Beschränkung in Form einer Aufgabe, einem bestimmten Score oder Pattern, andererseits jedoch entstehen sie aus einem zellulären Organisieren des Körpers heraus, welches sich in jedem Moment neu definiert.

Sehr hilfreiche Reflektionen dazu und überhaupt zu meinem Recherchethema, sowie zum gesamten Feld der Contact Improvisation, fand ich in Martin Keoghs Buch "Dancing Deeper Still". Dieses Buch beschreibt sehr umfassend, um nicht zu sagen alle Facetten dieser Sparte des Tanzes aus Sicht eines Lehrenden, als auch eines Tanzenden mit 40 Jahren Erfahrung.


Ich nahm teil an "Landing in the spherical body" mit Daniela Schwarz (welche langjährig auch mit Martin Keogh in Buenos Aires tanzte) und Eckard Müller, beides bekannte Lehrer*Innen und Organisator*Innen des International Contact Improvisation Festival Freiburg , welches seit 21 Jahren durchgeführt wird. Außerdem an "Soft & Wild - ways into contact" mit Sabrina Diesler und Steffi Rose, deren Arbeit sehr extrem sich unterscheidende Ansätze in die Berührung verband. Eine eher satte Körperlichkeit, sowie eine somatische Angehensweise in die Verbindung. Ich nahm am Festival teil "Contact & Somatics" mit den renommierten Lehrern Jörg Hassmann und Daniel Werner. In meinem Blog-Beitrag "A somatic experience into Contact Improvisation" sind mehr Details darüber beschrieben. Es war eine tiefgehende Erfahrung über den inneren Körper und die Offenheit dem Zulassen zu begegnen, welche eine ganz andere, mit sich selbst verbundene Bereitschaft zur Improvisation formt. Mit Ralf Jaroschinskis Workshop "Mitten ins Zentrum" richtete ich meinen Focus eher auf den Raum der Kinesphäre und das Zentrum als Motor und Ausgangspunkt von Bewegung. In der Modalität der Berührung war dieser Ansatz zu spüren im Oberflächenkontakt bis in die tieferen Schichten des Gewebes.


Ebenso einen Einfluss auf die Modalitäten von Berührung in Bewegung haben natürlich die jeweils eigene Bewegungsqualität der beiden oder mehreren Tanz-Partner*Innen. Das heißt jede Tänzer*In bringt seine / ihre Qualität mit in den Tanz. Durch Zuhören, Beobachten, innerer Beteiligung und sich für den / die Partner*In öffnen wird diese wieder verändert oder angepasst etc... Die Movement qualities of LABAN, die Bewegungsqualitäten durch LABAN wurden von ihm systematisiert durch drei grundlegende Aspekte, welche die Bewegungsqualitäten formen und definieren. Diese sind:

  • time (Zeit), mit den Gegensätzen schnell, langsam und deren Steigerungen dazwischen

  • space (Raum), peripher und zentral und den Raumspektren dazwischen

  • energy (Energie), starker und leichter Krafteinsatz und den Nuancen dazwischen

Daraus ergeben sich die 6 Bewegungsqualitäten in jeweiliger Kombination der Aspekte:

  • Flattern (flutter) - schnell, peripher, leicht

  • Schlottern (shiver) - schnell, zentral, leicht

  • Schweben (hover) - langsam, peripher, leicht

  • Gleiten (slide) - langsam, zentral, leicht

  • Drücken (press) - langsam, zentral, stark

  • Ziehen (pull) - langsam, peripher, stark


Klar wurde im Rechercheprozess auch, dass das Innere, der Jetzt-Zustand der Tänzer*Innen einen enormen Einfluss auf die Art und Weise des Improvisierens und damit auf die Berührungsqualität hat. Zum Teil lässt sich dieser bewusst durch den Bewegungsscore beeinflussen und auf der anderen Seite auch für den Tanz nutzen, somit erlangt die Herangehensweise eine gewisse Art von Vorprägung.

Ich konnte drei verschiedene Bereiche definieren innerhalb des Inneren Modus, den ich Internal Space nenne: "Somatics/Embodiement", "Awarness/Perception" und die "Internal Attitude".


Somatics/Embodiement verkörpert den somatischen Ansatz in Bewegung zu kommen, d.h. durch einen vom Leiter vorgegebenen Bewegungsscore kommen die Teilnehmer ins Tanzen. Dieser funktioniert durch die Verbindung der Vorstellung und Visualisierung verschiedener somatischer Bereiche mit dem Körper, wie die Konzentration auf bestimmte Teile, Gewebe, Strukturen zu richten, wie: skin (Haut), muscles (Muskeln), bones (Knochen), organs (Organe), fascia (Faszien), fluids (Flüssigkeiten) und cellular touch (Zelluläre Berührung).


Awarness/Perception bezieht sich auf die zu entwickelte Fähigkeit Bewegung NICHT vorauszuplanen, sondern wirklich geschehen zu lassen, in jedem Augenblick neu. Das bedeutet: NOW-PRESENCE-FOCUS, ganz im Jetzt und präsent zu sein und den inneren Focus genau auf den Augenblick zu lenken, so dass jeder Moment wirklich den Nächsten provoziert und formt, ohne schon an ein bestimmtes vorgefertigtes Bewegungsmuster zu denken und damit den Tanz bewusst zu lenken. Es ist ein Öffnen der Sinne für das Geschehen im Jetzt durch Zuhören (Listening) und Beobachten (Observing).


Internal Attitude ist die innere Beteiligung am aktuellen Geschehensprozess und die daraus resultierende körperliche und psychische Resonanz, die die Tänzer*Innen in sich und dem Gegenüber erzeugen. Dabei spielen bestimmte Prinzipien eine wichtige Rolle, wie following, oder guiding/leading, eine Tänzer*In gibt die Impulse für die Bewegung vor und der/die Partner*In folgt, d.h. er/sie erkennt den/die andere Tänzer*In als bewegungsvorgebende Person an. Manipulate bedeutet die Haltung der Tänzer*In ist die der Manipulation, also er/sie übt bewusst Einfluss auf die Bewegung aus ud manipuliert dadurch auch den Tanz des Gegenübers. Solo-ing bedeutet ganz konzentriert mit dem Tanz mit sich selbst zu sein, den Focus auf die Prinzipien der eigenen Bewegung zu lenken, vielleicht auch ohne in Körperkontakt zu gehen, nur in Augenkontakt zu sein und den Tanz dadurch zu beeinflussen. Pause-ing heißt immer wieder während des Tanzes in Kontakt Pausen einbauen und den Seinszustand und die Situation zu spüren und zu sehen aus welcher Bewegungsqualität die Tanzenden gerade gekommen sind. Dies ist eine gute Schulung für die Körperwahrnehmung und das Körperbewusstsein. Observing & listening, Beobachten & Zuhören sind wesentliche Faktoren, ohne die die Contact Improvisation gar nicht möglich wäre. Diese Eigenschaften machen, wenn sie gut entwickelt sind, einen guten Contact-Tänzer aus. Und einen wesentlichen Einfluss hat natürlich die Direction of focus (internal, external, partner). Ist die Tänzer*in mit der Konzentration eher bei sich selbst oder bei der Partner*In, ist sie zwischen Beiden gleichgewichtet oder liegt ihre Konzentration eher auf einem äußeren Einfluss, z.B. Menschen die dem/der Tanzenden zuschauen oder auf dem äußeren Raum? Auch die Imagination, die Vorstellungskraft spielt in der Improvisation eine wesentliche Rolle (Creation of images/certain intention) Sie beeinflusst den Muskeltonus und die Bewegungsqualität auf sehr differenzierte und vielfältige Art und Weise. Außerdem kommt hier dann der kompositorische Aspekt mit ins Geschehen. Durch die Vorstellung erschaffen wir Bilder in uns, welche wir im Außen reflektieren, dies muss nicht pantomimisch geschehen, sondern auf ganz diverse Weise, von Aktionen, Landschaften, Umgebung, Gefühlen etc.



SOCIALS / POLITICS

In der Contact Improvisation verbinden wir Tanzenden uns auf sehr intime, vielfältige und ehrliche Art und Weise mit Menschen. Einerseits üben wir Techniken, Scores, Flexibilität, Kraft, Akrobatik, Impakt und Lifts, auf der anderen Seite geben wir uns hin, lassen los, spüren, öffnen uns. Dadurch stellt sich eine sensibilisierte Toleranzgrenze ein, im Sinne von: Wir nehmen unsere Grenzen und die der anderen war, wir testen diese aus, wir spielen und erspüren, wann das Spiel ernst wird, wir trainieren soziale Kompetenz und zwar mit vielen verschiedenen Menschen.

Die Beweggründe, warum jemand zu einer Jam, einem Workshop geht oder überhaupt beginnt diese Tanz Art zu tanzen, sind unterschiedlich.


External:

  • social connection

  • meeting in a self-responsable, commited room

  • need of touch

  • expectations

  • finding a partner

  • social experience

Internal:

  • open-minded

  • empathy

  • tolerance

  • self-reflection

  • lack of expectations


FLOW

  • Letting go

  • to be in the present moment

  • learning to deal with disappointments

  • every moment is the seed of the next

daraus resultiert ein Gefühl von FLOW-Erleben definiert durch Gefühle wie:

  • expectation free

  • analysis free

  • value free

  • being one with space, time, me and the world


BEWEGUNGSAKTIONEN

  1. Building convex & concave zones of contact

  2. Tilt into movement and forces of inercia


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